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Der Silberrücken Chimanuka führt im kongolesischen Urwald eine große Familie an. © Claudia Schanza

Im Wohnzimmer der Berggorillas

In nur noch drei Ländern der Welt leben Berggorillas: Ruanda, Kongo und Uganda. Trekkings zu diesen Primaten sind für Touristen unvergesslich und zumeist ungefährlich. Für die bedrohten Menschenaffen erhöhen die naturbegeisterten Gäste sogar die Überlebenschance.

Chimanuka hat seine Arme ­verschränkt und beobachtet die aufgeregten Besucher. Er strahlt eine natürliche Autorität aus und ist sich seiner körperlichen Überlegenheit bewusst. Der Silberrücken ist Chef einer großen Familie und lebt mit sechs Frauen, neun Kindern und drei pubertierenden Männchen im dichten Dschungel des Kahuzi-Biéga National Park.

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo, früher Zaire und davor Belgisch-Kongo, leben laut einer aktuellen Studie (WCS) überraschend viele, nämlich 6.800, Grauergorillas. Alleine in diesem Nationalpark sind es 3.815, die allermeisten im tiefen Dschungel sehr gut versteckt.

Seit den 1990er-Jahren war ihre Population um 60 Prozent geschrumpft. Der Kampf um begehrte Bodenschätze wie Koltan und illegale Rodungen der Landwirte schränkten den Lebensraum massiv ein.

Im Schutz der Leibwächter

Seit Geld in die Forschung fließt und ein sanfter Tourismus begonnen hat, wird die Bevölkerung ins Boot geholt. Der ­geschützte Lebensraum der Grauergorillas ist inzwischen um ein Drittel gewachsen. Familien aus 20 Dörfern arbeiten für den Nationalpark und profitieren vom Schutz der bedrohten Tierart.

Das Besucherzentrum wirkt ziemlich ­improvisiert, die Ranger empfangen hier noch viel zu selten zahlende Gäste. Die harmlosen Menschenaffen sind Wilderern schutzlos ausgeliefert. Darum folgen fünf Ecoguards, mit Macheten und Gewehren bewaffnete Fährtenleser in Tarnanzügen, einzelnen Gruppen den ganzen Tag. Diese Tracker verlassen sie erst mit Einbruch der Dunkelheit, sobald die Primaten ihre Schlafnester gerichtet haben.

Wenn die Besucher frühmorgens zu ihrer Dschungeltour aufbrechen werden, wissen die Ecoguards genau, wo sich Chimanuka oder ein anderer Silverback mit seiner ­Familie aufhalten. Eine spannende Querfeldein-Wanderung wird die zahlenden Gäste durch den Nebel zum nächsten Ziel auf ihrer Bucket List bringen.

Die gute Nachricht

Zwei Gruppen von Gorillas sind seit Längerem damit vertraut, dass ihnen faszinierte Gäste in bunter Outdoorkleidung staunend Gesellschaft leisten und nach ­einer Stunde wieder im dichten Grün ­verschwinden. Sie sind habituiert, also an Menschen gewöhnt, die sie fotografieren, beobachten, aber weder füttern noch ­berühren. Gorilla-Tourismus wurde zur Lebensversicherung für diese Primaten, die auf der Roten Liste der stark gefährdeten Arten stehen.

Verhaltensbiologin Dagmar Schratter war lange Direktorin des Tiergartens Schönbrunn und kommt ins Grübeln, während sie Chimanuka beobachtet. „Ich weiß nicht, was hinter seiner Stirn läuft. Aber es ist klar, dass etwas läuft. Tiere haben Gefühle. Das ist nicht nur spürbar, sondern auch wissenschaftlich erwiesen, ­obwohl wir über die Qualität der Emotionen im Einzelnen noch wenig sagen können.“

Nur selten kommen Ökotouristen in die DR Kongo. Das österreichische Außenministerium warnt vor einer generellen Gefährdung für Leib und Leben, weil  Fremde zwischen Rebellengruppen geraten könnten.

So einzigartig und ungefährlich das Erlebnis im kongolesischen Regenwald ist, so riskant sind die An- und Abreise. Gut, dass die friedlichen Primaten auch in zwei Nachbarländern „Audienzen“ geben, in Ruanda und Uganda. 

Safes Erlebnis in Ruanda

Wer schon immer davon geträumt hat, Gorillas ohne Gitterstäbe oder Glaswand in ihrer natürlichen Umgebung zu beo­bachten und nicht risikofreudig ist, muss im Nachbarland Ruanda viel tiefer in die ­Tasche greifen. Da täglich nur eine sehr limitierte Besucherzahl zu den zehn habituierten Familien wandern kann, kostet das Permit mehr als drei Mal so viel, 1.500 USD gegenüber 400 USD.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Nur während der Pandemie, als plötzlich die Touristenströme versiegten, rutschte der Preis vorübergehend runter. Dabei sollte den Reisenden bewusst sein, dass sie nicht nur ein Privatvergnügen genießen, sondern den Lebensunterhalt Tausender Menschen finanzieren, dazu Schulbildung und Infrastruktur. Und vor allem den Schutz der verfolgten Primatenfamilien, die nach ihren Ahnen zum Beispiel Kabirizi, Bageni oder Mapuwa benannt sind.

Im Nationalpark an den Hängen der bis zu 5.000 Meter hohen Virunga-Berge ermöglicht hochprofessioneller Ökotourismus, dass Wildhüter rund um die Uhr in der Nähe jeder Gorillafamilie bleiben. Diese bewaffneten Aufpasser verhindern mittels Funk, dass Wilderer drollige Babys für Privatzoos stehlen oder das Fleisch getöteter Primaten in die ganze Welt verkaufen. Erfreuliche Folge dieser Bemühungen: In den Regenwäldern des Dreiländerecks Ruanda-Uganda-Kongo wur-den 1965 nur noch 300 Berggorillas ­gezählt, jetzt sind es um die 700.

Gorillas im Nebel

Dian Fossey hatte hier einst mit den Gorillas im Nebel den Grundstein für das ­bessere Verständnis und den Schutz der gejagten Primaten gelegt. Sie zeigte der Weltöffentlichkeit, dass King Kong und andere Filmmonster ein völlig falsches Bild der höchst sozialen Vegetarier zeichnen. Fossey wäre von den Besucherströmen aus aller Welt nicht begeistert, denn sie hatte eindringlich gefordert, dass die ­Berggorillas ungestört leben können.

Zoologinnen wie Dagmar Schratter sehen das vierzig Jahre später anders. „Das ­Beste, was den Gorillas passieren kann, ist Popularität.“ Dafür sorgen prominente Besucher wie Hollywoodstar Scarlett Johansson oder Microsoft-Milliardär Bill Gates, der den Dörfern auf dem Weg zum Nationalpark eine neue Straße spendete, weil er die holprige staubige Schotterpiste lästig gefunden hatte.

Der Nationalpark ist von ­einem kleinen Mäuerchen umgeben, das Gorillas nicht abhalten kann, gelegentlich die Bananenplantagen oder fruchtbaren Felder der fleißigen Bauern zu plündern. Sobald eindeutige Fährten und Schäden sichtbar sind, werden die Landwirte entschädigt, damit sie weder Fallen aufstellen noch auf die Eindringlinge schießen. Der Geldtopf wird aus den Touristeneinnahmen gespeist.

17 Gruppen in Uganda

Das ostafrikanische Land Uganda hat sich vom kleinen Nachbarn Ruanda viel in ­Sachen Artenschutz und Touristenattraktionen abgeschaut. Rund 400 Berggorillas leben gut bewacht im Bwindi-Nationalpark, einige davon sind habituiert und dienen als Magnet für Devisen. Die Tracker nehmen es hier nicht ganz so genau mit den Vorschriften. Mal geht eine Person mehr zum Trekking, mal ein Teenager, der noch nicht ganz das Alterslimit ­erreicht hat.

Doch im Grunde haben die Mitarbeiter des Nationalparks verinnerlicht, dass der Schutz der Gorillas den Menschen in näherer und weiterer Nachbarschaft zugutekommt. Vor 15 Jahren marschierten Touristen noch ohne Mund-Nasen-Schutz durch die Regenwälder in Ruanda und Uganda, doch bereits damals mussten sie mehrere Meter Abstand halten. Weil unsere DNA zu 98,3 Prozent identisch ist, haben Viruserkrankungen wie Ebola und Covid-19 viele Berggorillas getötet.

Jeder kleine Schnupfen, jede Halsentzündung kann die Menschenaffen dahinraffen. Ihr Immunsystem ist nicht gerüstet für scheinbar harmlose Erkrankungen, die aus aller Welt eingeschleppt werden könnten. Schon lange vor der Corona-Pandemie mussten Primaten-Touristen in Uganda, Ruanda und der DR Kongo im Regenwald Masken tragen. Essen und Trinken sind neben den Gorillas ebenso verboten wie das Blitzlicht von Kameras.

Familienbesuch mitten im Urwald

Am besten lässt man sich nieder und genießt die Stunde mit der Primatenfamilie, die Zärtlichkeiten zwischen Eltern, Tanten, Brüdern und Kindern. Das Herumtollen der Kleinen, die Prahlerei der Blackbacks, wie die pubertierenden Männchen heißen. Und die souveräne Autorität des Clanchefs, der zwanzig bis dreißig Familienmitgliedern vorsteht.

Bis zu 250 Kilogramm kann der muskulöse Silberrücken wiegen. Die kräftigen Arme brechen zehn Zentimeter dicke Bambusstäbe wie Styropor, wir müssten zur Säge greifen. Obwohl die Ecoguards streng auf die Abstandsregeln achten, tollen immer wieder verspielte Gorillakinder zu den Besuchern.

Die unvergesslichen Momente bleiben im Kopf, aufs Fotografieren vergessen die meisten in solchen Momenten. Dagmar Schratter ist von Begegnungen mit dieser Art berührt. „Wenn du vor diesem Gorilla sitzt, hast du einen Spiegel vor dir.“

Menschenaffen und Affen

In allen drei Ländern gilt: Wer so weit anreist, sollte die Gelegenheit nützen und weitere Arten in ihrer natürlichen Heimat beobachten. Obwohl Golden Monkeys, Blue Monkeys und Monameerkatzen nicht so prominente Ziele sind, erleben Ökotouristen mit ihnen einzigartige Momente. Zu kurzen oder längeren ­Wanderungen im Regenwald sollte man in Gummistiefeln und mit Gartenhandschuhen aufbrechen, weil es – erraten – oft regnet.

Matsch, stachelige Pflanzen und rutschige Pfade führen zu jenen einzigartigen Motiven, die ansonsten nur in Universum-Dokumentationen zu sehen sind. Wo Gorillas leben, sind oft auch Schimpansen nicht weit, zum Beispiel im ugandischen Kibale National Park. Sie sind dem Menschen mit 98,8 % genetischer Übereinstimmung noch ähnlicher, was sie nicht zwangsläufig sympathisch macht.

Schimpansen können bei schlechter Laune unfreundliche Urwaldbewohner sein, die mit Kernen auf Gäste schießen oder von Baumwipfeln herunterpinkeln. Egal, denn die geschickten und intelligenten Artisten in freier Wildbahn zu beobachten, ist jedenfalls ein unvergessliches Erlebnis.

Autorin

Claudia Schanza liebt die Berge, die Natur und alle Tiere (außer Spinnen und Gelsen). Sie war insgesamt acht Mal zur Gorillabeobachtung in Afrika. Die Wiener Journalistin ist fasziniert vom Charisma der Berggorillas und deren offensichtlicher Verwandtschaft zum Homo sapiens.

GUTE TIPPS

Visum
Für Ruanda, Kenia und Uganda ist ein Visum notwendig. Für Touristen­reisen kann alternativ vor Reiseantritt über das ruandische Online-Portal ein East African Tourist Visa um 100 USD beantragt werden, wenn das Ersteinreiseland Ruanda ist. Dieses Visum erlaubt eine einmalige Einreise in den Staatenverbund und multiple Reisen zwischen den Staaten.

Anreise
Für Besuche in Ruanda und der DR Kongo fliegt man via Umsteigeflughäfen wie Brüssel nach Kigali/Ruanda. Achtung: Erkundigen Sie sich über die Notwendigkeit eines negativen Antigen-Schnelltests für die Ein- oder Ausreise. Die Vorschriften ändern sich wegen der Pandemie ständig.

Auch nach Uganda gibt es keine Direktflüge, aber mehrere Fluglinien landen mit ein Mal Umsteigen in Entebbe. Von Kigali sind es auf guten Straßen 260 km nach Bukavu/DR Kongo. Diese Fahrt dauert knapp vier Stunden und führt durch das „Land der 1.000 Hügel“ bis zum Kivusee, wo der Grenzort Bukavu liegt. Für die Formalitäten an der Grenze sollte man Geduld im Gepäck haben, weil das Internet oft lahmt.

Gepäck
Bei der Einreise nach Ruanda sind Plastiksackerln (etwa als Schuhverpackung) verbannt, weil sie aus Umweltschutzgründen seit vielen Jahren verboten sind. Für die Dschungelwanderungen sind Gummistiefel und Gartenhandschuhe praktisch. Falls man die „Gummler“ nicht wieder heimführen will, freuen sich die Tracker. Moskitosprays sind für Haut und Kleidung empfehlenswert.

Geld
Ruanda-Franc, Uganda-Schilling, Franc Congolais sind die offiziellen Währungen; von Touristen werden US-Dollar und Euro erwartet. Es gibt kaum vertrauenswürdige Bankomaten, Kreditkarten funktionieren nur in Luxuslodges.

Tourenveranstalter
Das lokale Unternehmen Mapendano Voyages organisiert von Kigali aus Reisen mit Guide und Geländewagen in Ruanda und die DR Kongo. Wegen Haftungsfragen am besten über ein österreichisches Reisebüro organisieren.

Abenteuerlustige können Touren in Ruanda und Uganda direkt organisieren. Da aber die Gorilla-Permits oft lange im Voraus ausgebucht sind, empfiehlt sich die Organi­sation vorab durch Profis.

Kosten
Ein Gorilla-Permit kostet im Volcanoes National Park in Ruanda derzeit 1.500 USD. Das Mindestalter für den Besuch ist 15 Jahre, die Aufenthaltsdauer bei den Gorillas beträgt eine Stunde und ist nicht ­verhandelbar.

Das Trekking zu einer ­zugeteilten Gorillagruppe dauert eine bis zweieinhalb Stunden.
Im Südwesten des Nachbarlands Uganda gibt es zwei Nationalparks mit Gorilla-
Führungen. Im Bwindi ­Impenetrable National Park und im Mgahinga Gorilla National Park kostet das Permit pro Person 700 USD. In der DR Kongo (Kahuzi-Biéga National Park) 400 USD. 

Nicht zu vergessen: Für diverse Trinkgelder braucht man ständig 1-, 5- und 10-Dollar-Scheine.Noch ein Tipp: Unbedingt einen lokalen Führer und Fahrer buchen. An der Straße lauern mitunter bewaffnete Soldaten, die Weggeld erpressen möchten.