Ihre letzten Romane spielten in Wien. Waren der Orts- und der Zeitwechsel eine Herausforderung oder große Umstellung?
Es war beides, Herausforderung und Umstellung. Die Bilanz an Arbeitszeit pro Romanseite hat sich gravierend geändert. Die Wiener Krimis habe ich im Vergleich aus dem Handgelenk geschüttelt, den historischen Stoff habe ich mir mit einer absurd hohen und durch keinerlei Honorarabrechnung bezahlbaren Anzahl an Arbeitsstunden erschlossen. Diese Arbeit hat mein literarisches Leben mit unermesslichem Glück, Sinn und Reichtum erfüllt. Ganz egal, was da noch kommt, ganz egal, ob die Menschen den Roman mögen oder nicht, mir hat die Arbeit daran Freude bereitet. Und ich hoffe sehr, dass von dieser Einstellung etwas in den Text geflossen ist, und die Menschen diese Freude beim Lesen zumindest ein bisschen fühlen.
Wie kann man sich die Recherchearbeit für so ein Buch vorstellen? Wo haben Sie Inspiration gefunden?
Die Recherche ist das Salz in der Suppe, von der ich mich ernähre. Eine interessante Handlung, spannende Figuren und eine tolle Geschichte erwarte ich von meinen Romanen. Ich will mein Publikum schließlich unterhalten, zum Nachdenken anregen, vielleicht sogar überraschen, aber all das muss in ein solide recherchiertes Umfeld eingebettet sein. Für die Recherche unerlässlich sind Online-Archive. So gibt es etwa digitalisierte Zeitungen aus der Zeit auf der Website der Triester Biblioteca Civica. Und ich habe mir in den Buchläden Triests nach und nach eine hübsche Sammlung von hauptsächlich italienischen Büchern angeschafft. Darin zu schmökern ist ein steter Quell an Inspiration.
Das Buch spielt auf der Thalia, einem der ersten Kreuzfahrtschiffe überhaupt. Sind Sie generell an Kreuzfahrten und deren Geschichte interessiert oder reizte Sie das Schiff als Tatort?
Die Kreuzfahrten der Gegenwart sind mir suspekt, ich kriege es mit der Angst zu tun, wenn ich Fotos aus Venedig oder Dubrovnik sehe, wenn dort Gigaliner einlaufen. Angst um die adriatischen Städte, die vor allem dieses sind: alt und klein. Ich mag auch den Lärmtourismus in den winterlichen Bergen meiner Heimat nicht. Beim Reisen versuche ich, mich an meine Reiseziele anzupassen, nicht umgekehrt. Aber ich bin da wohl der individualistische Schriftsteller. Was mich an der Fahrt der Thalia außerordentlich reizte, war die kleine, in sich geschlossene Welt von 160 Passagieren und 40 Besatzungsmitgliedern auf den Weiten des Meeres.
Die Fahrt geht durch weite Teile des Mittelmeers, und wir kommen nach Ragusa, Otranto, durch Griechenland bis zur Türkei. Haben Sie einen Lieblingsort am Mittelmeer?
Leider kenne ich noch viel zu wenige Orte am Mittelmeer und viele werde ich nie betreten, aber ich kenne einige. In meiner Studienzeit war ich mehrmals auf den Ägäischen Inseln und auf Kreta, in den letzten Jahren habe ich vor allem die kroatische Küste bereist und viele schöne Orte entdeckt. Es gibt so viel zu erleben, also muss ich sagen: Mein Lieblingsort am Mittelmeer ist das Mittelmeer.
Wird Ihr nächstes Buch wieder nach Wien zurückkehren oder haben Sie weitere literarische Szenenwechsel geplant?
Da Romane eine erhebliche Arbeitszeit erfordern und es eine lange Vorlaufzeit vor der Veröffentlichung eines Buchs gibt, kann ich schon sagen, was als Nächstes kommt, nämlich das, woran ich derzeit arbeite. „Dampfer ab Triest“ war von Anfang an als Start einer Serie geplant, mein Ziel ist, gemeinsam mit dem Gmeiner-Verlag eine Trilogie mit dem Titel „Triest 1907“ herauszubringen. Arbeitstitel des nächsten Romans mit Inspektor Bruno Zabini ist: „Kaffee in Triest“. Ein koffeinhaltiger Roman!
Dampfer ab Triest
von Günter Neuwirth
Gmeiner Verlag
471 Seiten, 13,5 x 21 cm, Klappenbroschur Premium
Buch 16,– € / E-Book 11,99 €
ISBN 978-3-8392-2800-5